Das Unmittelbarkeitsgebot nach § 57 AO als Kooperationsschranke

Die Renaissance des Unmittelbarkeitsgebots ist auf das Spannungsverhältnis zwischen eigener und kooperativer Zweckerfüllung zurückzuführen. Während § 57 AO die Selbstverwirklichung der Satzungszwecke fordert, bedingen Kooperationen naturgemäß Elemente wie Arbeitsteilung und Mitwirkung.

Wie hoch diese Schranke letztlich ist, beurteilt sich anhand der konkreten Kooperationsform – die Bandbreite reicht vom informellen Austausch über Arbeitskreise und Foren bis zur rechtlichen Verselbstständigung von Projekten. Die Protagonisten sollten sich im Vorfeld über die Einhaltung der Vorschrift Gedanken machen sowie Ablauf und Vertragsgestaltung ggf. anpassen.

Ausführlich zu § 57 AO: Stand, Reform und Ausblick, Ausgabe 5 2015 (Rote Seiten), der Zeitschrift Stiftung & Sponsoring. 

Der Unmittelbarkeitsbegriff – persönliches Verständnis maßgebend
Der auf den ersten Blick eindeutig anmutende Begriff der Un¬mittelbarkeit unterliegt bis heute einer unsteten Beurteilung durch Rechtsprechung, Finanzverwaltung und Schrifttum. Das relevante Auslegungskriterium skizziert der Gesetzgeber mit wenigen Worten. Eine Körperschaft verfolgt ihre steuer¬begünstigten satzungsmäßigen Zwecke unmittelbar, wenn sie jene selbst verwirklicht. Hierzu existieren grundsätzlich zwei Deutungsansätze:

Zum einen das persönliche Unmittelbarkeitsverständnis: die Auslegung orientiert sich an den gesetzlichen Vorgaben und sollte als alleiniges Begriffsverständnis anerkannt werden. § 57 AO bezieht sich danach auf die Art und Weise der Verwirklichung des Satzungszwecks. Nicht die erfolgreiche, sondern die eigene Zweckerfüllung mittels der Organe oder Angestellten der Körperschaft ist entscheidend. Auf eine un¬mittelbare oder mittelbare Förderung des steuerbegünstigten Zwecks kommt es nicht an, sondern auf die Umsetzung der in der Satzung aufgeführten gemeinnützigen Tätigkeiten durch die Organisation selbst.

Zum anderen das sachliche Unmittelbarkeitsverständnis: vom Schrifttum in jüngster Zeit zunehmend kritischer gesehen, je¬doch von der Rechtsprechung und Finanzverwaltung partiell bis heute vertreten. Hinter dem Begriff verbirgt sich der Tenor einer „Tätigkeit-Zweck Beziehung“. Der angestrebte Zweck soll direkt durch die konkrete Tätigkeit realisiert werden können. Ein ausgegliederter Laborbetrieb bspw. fördert dem¬entsprechend das Wohlfahrtswesen nicht unmittelbar, da die untersuchten Patienten letztlich erst von den medizinischen Schlüssen der behandelnden Ärzte direkt profitieren. Haup¬tursache für die Auslegung i.S. dieses Verständnisses ist der gesetzliche Bezug zur Verwirklichung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AO). Diese For¬mulierung stimuliert die Erwartung nach einer erfolgreichen, möglichst umfassenden Umsetzung der gemeinnützigen Ziele. Eine solche Erwartungshaltung führt letztlich zu der Fehlinterpretation, eine unmittelbare Zweckverwirklichung sei nur im Falle der Erringung eines spürbaren Erfolgs gegeben.

Kooperationspartner als Hilfsperson
Die Projektbeteiligten agieren in der Praxis nicht immer auf Augenhöhe; gemeinnützige Organisationen binden ihre Kooperationspartner des Öfteren als Hilfspersonen in die eigene Zweckerfüllung ein. Handelt es sich bei den Helfern um Non-Profit-Organisationen, stellt sich regelmäßig die Frage, ob sie mit der beauftragten Maßnahme die eigenen Satzungszwecke unmittelbar verfolgen. Der BFH bejaht dies im Grundsatz, insofern die Hilfspersonen ihre steuerbegünstigten Satzungsziele selbstständig und eigenverantwortlich verwirklichen (BFH v. 17.2.2010, I R 2/08, BStBl II 2010, S. 1006). Wo also liegen die Probleme?

Falls der auftraggebende Kooperationspartner – i.S.d. Vorgaben der Finanzverwaltung – der Hilfsperson genaue Weisungen hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der Leistung erteilt, bleibt ihr selbst kaum Spielraum zur eigenverantwortlichen Handlungsgestaltung. Das Erfordernis der Weisungsabhängigkeit hemmt die Hilfsperson in ihrer Bewegungsfreiheit. Hier sollte die Finanzverwaltung der Rechtsprechung (v.a. FG Niedersachsen v. 8.4.2010, 6 K 139/09) folgen und eine bloße Zielveranlassung der Tätigkeit als ausreichend erachten.

Vorsicht auch bei Hilfsleistungen, die dem steuerbegünstigten Satzungszweck bzw. dem gewünschten Personenkreis nicht in spürbarem Maße dienen. Beschränkt sich die Hilfspersonentätigkeit auf solche Leistungen, droht wie im Beispiel erläutert ein Verstoß gegen das Unmittelbarkeitsgebot; jedenfalls solange die Rechtsprechung an ihrer Interpretation der Vorschrift festhält. § 57 AO bildet keinen Schutzschirm vor vermeintlich zweckfremden Hilfstätigkeiten. Als Maßstab für die Gemeinwohldienlichkeit einer angestrebten Tätigkeit kommen nur die normierten steuerbegünstigten Zwecke (§§ 52 bis 54 AO) in Betracht.

Gleichberechtigte Projekterfüllung
Übergeordnet bleibt nur das gemeinnützige Bestreben; auch bei gemeinschaftlich geplanten und durchgeführten Projekten muss das Unmittelbarkeitsgebot Berücksichtigung finden. Im Schrifttum herrscht Einmütigkeit darüber, dass die Vorschrift keine alleinige Verwirklichung der Satzungszwecke fordert, wohl aber eine gewisse Verantwortungsübernahme für das Projekt.

Als Beispiel sei ein gemeinnütziger Verein erwähnt, der mit anderen Vertretern des Dritten Sektors Tagungen über Naturschutzthemen abhält. Das FG Hamburg verwehrte am 8.12.1997 (I B 56/98, EFG 1998, S. 916) einer Organisation in ähnlicher Konstellation die Gemeinnützigkeit, weil diese nicht die inhaltliche Verantwortung für die Beiträge ihrer Kooperationspartner übernahm – eine zu enge und nicht dem Wortlaut des Gesetzes entsprechende Auslegung. Es genügt vielmehr ein Mitspracherecht bezüglich zentraler organisatorischer Entscheidungen (Einbindung in den Veranstaltungsablauf). Darüber hinaus müssen die Mitwirkenden jeweils einen eigenen Anteil zum erfolgreichen Abschluss des Projekts leisten; dieser ist wiederum selbstständig und eigenverantwortlich zu erbringen.

Rechtliche Verselbstständigung des Projekts
Die gemeinsame Zweckverfolgung kann, gewollt oder ungewollt, zur rechtlichen Verselbstständigung des Vorhabens führen. Als Projektrechtsform kommt angesichts ihres geringen formellen Aufwands zunächst die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in Betracht. Im Hinblick auf die Einhaltung des § 57 AO entfaltet sie v.a. als Außengesellschaft, die im Vergleich zur Innengesellschaft mittels ihrer Vertreter am Rechtsverkehr teilnimmt, Brisanz. Das Schrifttum bezieht sich dabei entweder auf die anteilige direkte Zurechnung der Gesamttätigkeit auf die Gesellschafter (§ 57 Abs. 1 S. 1 AO) oder auf die Inanspruchnahme der Projekt-GbR als Hilfsperson (§ 57 Abs. 1 S. 2 AO).

So individuell die Satzungsvorgaben der Partner, so individuell gestaltet sich jedoch auch die Prüfung des Unmittelbarkeitsgebots. Anstelle einer „Entweder-oder-Betrachtungsweise“ muss für jeden Gesellschafter ermittelt werden, ob er die Vorschrift bereits mit seinem Gesellschafterbeitrag selbst oder unter Zuhilfenahme der Hilfspersonenregelung erfüllt. Eine anteilige Pauschalzurechnung der Gesamtaktivität auf die Projektpartner lässt § 57 AO im Moment nicht zu. Es besteht also die Problematik der Einzelnachweisführung. Hier könnte eine Ausnahmevorschrift Abhilfe schaffen.

Grenzüberschreitende Kooperationen
Ein Engagement jenseits nationaler Grenzen bedingt infolge der Entfernung zwischen dem Sitz der steuerbegünstigten Organisation und dem Projektstandort nicht selten den Rückgriff auf ausländische Partner. Der Fokus richtet sich folglich auch hier auf das Unmittelbarkeitsgebot. So setzt die Inanspruchnahme einer Hilfsperson im Ausland der Finanzverwaltung zufolge neben den ohnedies schon erhöhten Nachweispflichten (§ 90 Abs. 2 AO) weitere Bedingungen voraus. Hierzu zählt u.a. der Abschluss eines Vertrages, der den Inhalt und Umfang der Tätigkeiten sowie die Rechenschaftspflichten der Hilfsperson festlegt. Das FG Niedersachsen sah diese Nachweispflichten bei einem Verein, der sich zur Umsetzung eines Patenschaftsprojekts für Waisenkinder einer ausländischen Organisation bediente, im bereits erwähnten Urteil (FG Niedersachsen v. 8.4.2010, 6 K 139/09) als verletzt an. Es bestanden keine schriftlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien. Ferner räumte der Verein ein, dass er keinen genauen Einblick in die Geschäfte des von ihm eingeschalteten Partners hatte.

Neben der Nachweisführung führt v.a. die geografische Begrenzung einzelner Kooperationsformen zu Problemen. Die Ausnahmeregelung für Dachorganisationen (§ 57 Abs. 2 AO) etwa ist für Verbände mit Sitz in Deutschland, denen ausländische Mitgliedskörperschaften angehören, nicht anwendbar.  

Ausführlich zu § 57 AO: Stand, Reform und Ausblick, Ausgabe 5 2015 (Rote Seiten), der Zeitschrift Stiftung & Sponsoring.